Quelle: BL Göttingen
Die Neue Rechte vernetzt sich in der Initiative „Ein Prozent“
Die Alternative für Deutschland (AfD) streitet nicht erst seit der „Denkmal der Schande“-Rede von Björn Höcke über ihren Umgang mit völkischen Bewegungen und Akteuren. Während der immer schwächere neoliberal-konservative Flügel der Partei etwa einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der „Identitären Bewegung“ erreichte, arbeitet diese in dem Verein „Ein Prozent für unser Land“ längst mit dem völkisch-nationalkonservativen AfD-Flügel zusammen. Doch die dazugehörige „Ein Prozent“-Kampagne erfährt nicht nur durch die neurechten „Identitären“ Unterstützung, sondern auch von weiteren extrem rechten Gruppierungen – bis hin zu Neonazis.
Nach dem blutigen Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt nutzten altbekannte, extrem rechte Kräfte das Geschehen für ihre Agitation: Am 21. Dezember veranstaltete die vermeintliche ‚Bürgerinitiative‘ „Ein Prozent“ vor dem Bundeskanzleramt eine Mahnwache für die Opfer des islamistischen Anschlags. Auf der Kundgebung ging es jedoch in erster Linie nicht um das Gedenken der Toten, sondern um ihre Instrumentalisierung für die rassistische Propaganda eines angeblichen „Bevölkerungsaustausches“. Als Redner traten dabei nicht nur Götz Kubitschek, der von Leitmedien wie dem SPIEGEL zum „wichtigsten Intellektuellen der Neuen Rechten“ stilisiert wird, und der „Ein Prozent“-Projektleiter und Burschenschafter Philip Stein auf. Auch höchste AfD-Parteiprominenz beteiligte sich an der völkischen Versammlung: der unvermeidliche Björn Höcke hielt ebenso eine Rede, wie der langjährige CDU-Funktionär und jetzige AfD-Rechtsaußen Alexander Gauland.
Der Beginn: Parteiinterne Machtkämpfe
Diese politische Zusammenarbeit ist nichts Neues. Der rechte Parteiflügel der AfD arbeitete bereits vor dem als ‚Flüchtlingskrise‘ titulierten Summer of Migration des Jahres 2015 mit völkischen Akteuren zusammen. Die im März 2015 von Höcke und André Poggenburg (AfD-Vorsitzender in Sachsen-Anhalt) initiierte „Erfurter Resolution“ enthielt bereits die Forderung nach einer verstärkten Zusammenarbeit mit der damals seit einem Jahr bestehenden und vornehmlich in Dresden aktiven PEgIdA-Bewegung, ohne diese jedoch konkret zu nennen. Ferner bestehen seit der Gründung der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ im Jahr 2013 personelle und strukturelle Verbindungen zur „Identitären Bewegung“.
Mit dem Essener Parteitag im Juli 2015, der damit einhergehenden Niederlage des neoliberalen Lagers um Bernd Lucke und dessen beinahe geschlossenen Wechsels in die nunmehr unbedeutende Partei „Liberal-Konservative Reformer“ (zunächst bekannt als „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“) war der Weg für die siegreichen Konfliktführer um Höcke frei. Doch zunächst verlor die AfD erheblich an Zuspruch und rutschte in Umfragen unter die 5%-Hürde. Selbst neurechte Publizisten, etwa Karlheinz Weißmann oder der „Junge Freiheit“-Herausgeber Dieter Stein, fürchteten um das seriöse Image der Partei, da man ohne die früheren, bürgerlich-konservativ auftretenden, ProtagonistInnen in die „politische Marginalisierung“ (Stein) abzudriften drohe.
Infolge der großen Migrationsbewegungen des Spätsommers 2015 änderte sich die politische Lage jedoch grundlegend. Den europäischen Grenzsicherungsbehörden gelang es für einige Monate nicht mehr, der hohen Anzahl an Fliehenden Herr zu werden. In einer polarisierten Gesellschaft schaffte es die AfD am ehesten, rassistische Vorbehalte für sich zu nutzen. Die Partei verstärkte ihre rassistische Mobilmachung gegen Geflüchtete und Muslim*innen. Vor allem Höcke tat sich hier hervor und orientierte sich an der bereits seit 2014 bestehenden völkischen Straßenbewegung, für deren Kooperation er eine Spaltung der Partei forciert hatte. Er organisierte Aufmärsche im Herbst 2015, zu denen nahezu jeden Mittwoch bis zu 8.000 TeilnehmerInnen nach Erfurt kamen. Auch die altbekannte neonazistische Rechte, selbst trotz gesteigerter Aktivitäten weiterhin in einer politischen Krise, nahm rege an den Höcke-Aufmärschen teil. Sie sah keinerlei inhaltliche Differenzen – teils wurde Höcke sogar als zeitweiliger „Führer“ einer gemeinsamen Bewegung angesehen. Die gesellschaftspolitische Stärke, die die neonazistische Rechte in der Bundesrepublik nur regional erreicht hat, errang im Herbst 2015 die AfD — die völkischen Fraktionen „Der Flügel“ und die „Patriotische Plattform“ gaben dort immer mehr den Ton vor.
In dieser Zeit wurden die Kontakte zu wichtigen ProtagonistInnen der Neuen Rechten offen zur Schau getragen. Wiederum Höcke als routinierter „Tabu-Brecher“ trat hier öffentlich in Erscheinung. Er steht insbesondere dem neurechten „Institut für Staatspolitik“ des „PEgIdA“-Redners Götz Kubitschek nahe. In Schnellroda, dem Sitz des Instituts, referierte Höcke im November 2015 höchstpersönlich auf dem „Dritten staatspolitischen Kongress“ über angebliche Unterschiede zwischen Europäern und Afrikanern in ihren „Reproduktionsstrategien“. Der offen dargelegte völkische Rassismus von Höcke führte zwar zu einem Aufschrei im liberalen und linkspolitischen Lager, seiner öffentlichen Reputation und vor allem seiner Stellung in der Partei schadete die Rede jedoch keineswegs.
Die Initiierung von „Ein Prozent“
Kurz nach dem besagten Kongress stellte Kubitschek am 13. November 2015 die „Ein Prozent“-Kampagne vor, welche die Zusammenarbeit zwischen dem rechten AfD-Flügel und der Neuen Rechten manifestierte. Ziel sei es, „Ein Prozent der Deutschen“, also knapp 800.000 Personen, als UnterstützerInnen zu gewinnen. Sie sollen die „juristischen, medialen und politischen Aktionen“ der Kampagne vor allem durch regelmäßige Spenden finanzieren und „Informationen“ verbreiten, „die in den Medien nicht zu finden“ seien. Als Vorbild dient vor allem Greenpeace mit seinen 580.000 Fördermitgliedern, mit denen Aktivist*innen der Umweltschutzorganisation in ihren medial oft wirksamen Aktionen unterstützt werden. Demnach hat „Ein Prozent“ drei Hauptziele: Via Crowdfunding die infrastrukturelle Unterstützung von völkischen AktivistInnen, die Funktion als bundesweites Sprachrohr derselben sowie als mediale Plattform für neurechte Inhalte. Da die „Ein Prozent“-Kampagne jedoch weder die Zahl der Fördermitglieder noch die Höhe der akquirierten Mittel nennt, bleibt es fraglich, wie viele UnterstützerInnen tatsächlich das Projekt tragen und wie es finanziell aufgestellt ist.
Neben Kubitschek, der sich mittels der Kampagne weiterhin als intellektueller Vordenker inszenieren kann, sind als „Ein Prozent“-Initiatoren fünf weitere Männer bekannt: Erstens der Projektleiter Philip Stein; dieser tritt nicht nur als Mitglied der extrem rechten Burschenschaft Germania Marburg und als Gründer eines neurechten Kleinstverlags in Erscheinung. Er war zeitweilig auch „Assistent des Fraktionsvorsitzenden“ Höcke im Thüringer Landtag. Zweitens der inzwischen emeritierte Jura-Professor Karl Albrecht Schachtschneider, welcher bereits seit den 1990er Jahren an einer Vielzahl von Parteigründungen rechts der CDU beteiligt war. Er initiierte für die „Ein Prozent“-Kampagne eine inzwischen längst abgewiesene Verfassungsbeschwerde „gegen die illegale Einreise von Ausländern“. Drittens der in Leipzig wohnhafte Jürgen Elsässer als neurechter Medienmogul. Er möchte wohl für sein einstmaliges Querfront-Projekt „Compact“ – nunmehr stramm rechte Zeitschrift – neue LeserInnen gewinnen. Viertens der Ostsachse Helge Hilse, ein einst gescheiterter Klein-Unternehmer, der mit der Umsetzung von „Ein Prozent“-Projekten offenbar einen neuen Lebenssinn gefunden hat. Und zu guter Letzt Hans-Thomas Tillschneider, nicht nur Vorsitzender der AfD-internen „Patriotischen Plattform“, dem Sammelbecken der Partei-Rechten, sondern auch Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Aktuell unterstützt „Ein Prozent“ laut Eigenangaben bundesweit circa 60 Initiativen (Stand 12/2016), wobei es einen klaren Schwerpunkt auf den ost– und den süddeutschen Raum gibt. Hier lohnt sich jedoch ein genauerer Blick: Alleine 39, also knapp zwei Drittel der geförderten Gruppen, sind die Ortsgruppen der „Identitären Bewegung“ (IB) in Deutschland. Diese sind größtenteils reine Facebook-Phänomene, nur wenige Ortsgruppen treten auch auf der Straße in Erscheinung. Hier liegt auch nicht die politische Stärke der „Identitären“; dies zeigte sich im Juni 2016 in Berlin, als zu ihrer ersten bundesweiten Demonstration gerade einmal 200 Personen zusammen kamen. Vor allem mit medial gut inszenierten und aufwendigen Aktionen wollen die „Identitären“ Öffentlichkeit für ihre ethnopluralistischen Positionen erzielen. Dies gelingt auch teils, wie mit der kurzzeitigen Besetzung des Brandenburger Tores im August 2016, die den Identitären eine hohe öffentliche Resonanz und großen Zuspruch aus dem gesamten völkischen Lager verschaffte. Andere Aktionen, wie die „Besetzung“ der CDU-Parteizentrale in Berlin kurz vor Weihnachten 2016, die aus einer Sitzblockade von 20 – 30 AktivistInnen vor dem zu später Stunde bereits geschlossenen Gebäude bestand, verliefen eher kontraproduktiv. Anstelle der Selbstbestätigung als elitäre Avantgarde hagelte es Hohn und Spott – vor allem im Netz, dem Hauptort der identitären Aktivitäten. Dass die Selbstinszenierung als neurechte VorreiterInnen nichts mit der tatsächlichen Stärke der „Identitären Bewegung“ zu tun hat, zeigte die Aktion auch. Denn aus ganz Deutschland und aus Österreich, wo diese eindeutig relevanter ist, mussten identitäre AktivistInnen für die Blockade anreisen. Auch Martin Sellner, Obmann der IB Wien und eines der medialen Gesichter von „Ein Prozent“, war an den Planungen beteiligt, nahm an der Aktion selbst jedoch nicht teil.
Zusammenarbeit mit Neonazis
In der Unterstützung völkischer Akteure setzt die „Ein Prozent“-Kampagne auch auf neonazistische Strukturen. Dabei beschränkt sich dies nicht nur auf deren Teilnahme an Veranstaltungen, wie dies schon bei Aufmärschen von „PEgIdA“ und der AfD geschah und geschieht. Bemerkenswert ist dies besonders vor dem Hintergrund, dass „Ein Prozent“ jede Nähe zum altbekannten Neonazi-Milieu in Stil und Sprachduktus vermeidet.
Hierfür lohnt der Blick auf die geförderte Initiative im Raum Göttingen. So ist der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ um Jens Wilke seit Ende 2015 – wenn auch mit Unterbrechungen – Teil des Unterstützungs– und Unterstütztenkreises der Kampagne. Der „Freundeskreis“ entwickelte sich in dieser Zeit von einem vermeintlich heterogenen und bürgerlich erscheinenden Zusammenhang zu einem Sammelbecken regionaler Neonazis (vgl. auch die aktuelle Demontage, diese Einschätzung, sowie Ramaswamy, Marian: Wiederbelebungsversuch in Niedersachsen, in: der rechte rand, Januar/Februar 2017, S. 6f.). Die Gruppierung um Wilke kann daher guten Gewissens als neonazistisch bezeichnet werden.
Ein Transparent mit einem großen „Ein Prozent“-Logo begleitete die rassistischen Hetzreden des „Freundeskreises“ schon bei dessen Gründung im Rahmen der Erfurter Kundgebungen von Björn Höcke Ende 2015. Zu diesem Zeitpunkt fanden sich nicht nur Personen aus dem Neonazi-Spektrum auf den Kundgebungen ein, auch distanzierten sich Wilke & Co. damals noch „von aller Gewalt“. Die Veranstaltungen in kleineren Städten im Landkreis Göttingen hatten daher zunächst einen überwiegend bürgerlichen Charakter; man komme „aus der Mitte der Gesellschaft“, betonte man unentwegt.
Doch der „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ ist seit seiner Gründung ein Projekt der regionalen extremen Rechten in Südniedersachsen undNordthüringen. Eine Vernetzung zu NPD-Initiativen wie „Ein Licht für Deutschland“ existierte von Beginn an. Aber auch als der „Freundeskreis“ bereits sichtbar zur Naziclique geworden war, präsentierte dieser sich noch immer unter dem Logo von „Ein Prozent“; Wilke teilte auf der „Freundeskreis“-Facebookseite weiter munter die Beiträge der Kampagne. Als im Frühsommer 2016 die NPD-Kandidaturen von Jens Wilke und seinem politischen Umfeld für die niedersächsischen Kommunalwahlen weithin bekannt waren, nahmen mit Wilke, Jan Philipp Jaenecke und Leif Aron Scharnhorst drei „Freundeskreis“Aktivisten an einer Schulung von „Ein Prozent“ teil. Ein in den sozialen Netzwerken verbreitetes Foto zeigt die drei zusammen mit Martin Sellner in T-Shirts mit dem Logo der Kampagne.
Der „Freundeskreis“, der bei den Kommunalwahlen im September 2016 kläglich scheiterte und sich inzwischen durch offen neonazistische Propaganda auszeichnet, ist nicht die einzige neonazistisch dominierte Gruppe der „Ein Prozent“-Kampagne. Richtet man den Blick etwas weiter nördlich, so kommt man sogleich zum „Bürgerprotest Hannover“ um Sabrina Allner und Sascha Perschke. Der „Bürgerprotest“ entstand aus „HagIdA“ und existiert auch eher als ein Überbleibsel dessen, als Rest der einst größeren Bewegung von „PEgIdA“ und dessen Ablegern.
Wie beim „Freundeskreis“ entwickelte sich die Gruppierung zu einer immer manifester extrem rechten Struktur, in der sich neben bloßen Rassist*innen vermehrt Neonazis tummelten. Mittlerweile aber ist der „Bürgerprotest Hannover“ zu einem mehr oder minder leeren Ritual verkommen. Kaum neue Leute tauchen dort auf, seit Sommer letzten Jahres lassen sich Neonazis dort nur noch vereinzelt blicken. Interessant bezüglich dieser Entwicklung erscheint auch, dass zwar Jens Wilke kurzerhand im Oktober 2016 als Redner wieder ausgeladen wurde, nachdem dem „Bürgerprotest“ dessen NPD-Kandidatur bekannt geworden ist. Doch noch im Monat zuvor hatte Alexander Kurth seinen Hass von der Hannoveraner Rednertribüne gepredigt. Kurth ist eine der zentralen Figuren von „Wir lieben Sachsen/Thügida“ (deren Teil der „Freundeskreis“ seit November 2016 ist), Ex-NPDler aus Leipzig und mittlerweile Mitglied von „Die Rechte“. Wenngleich der „Bürgerprotest Hannover“ mittlerweile wieder uninteressant für Neonazis zu sein scheint und umgekehrt, kann festgehalten werden, dass es sich dabei um eine mit Neonazis vernetzte Struktur handelt, die dies auch einige Zeit offen vor sich her trug.
Der Bezug zwischen „Ein Prozent“ und der neonazistischen Rechten liegt also auf der Hand: Mit dem „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ und dem „Bürgerprotest Hannover“ wird exemplarisch deutlich, dass auch Neonazigruppen Teil von „Ein Prozent“ sind und waren. Was aber sind die Beweggründe für die Zusammenarbeit?
Zum einen verbindet natürlich die gemeinsame völkische Ideologie: eine starke Trennung zwischen einer neonazistischen und einer Neuen Rechten hat es nie gegeben. Im Gegenteil: Über Verlage, Plattformen und über reaktionäre Vereinigungen wie der „Deutschen Burschenschaft“ existierte nach innen permanent Vernetzung. Nach außen war man jedoch auf Seiten der „Neuen Rechten“ darauf bedacht, eine enge Zusammenarbeit zu kaschieren. Denn auch in den klassisch konservativen Milieus des Bürgertums, in welchen die „Neue Rechte“ sich selbst beheimatet sieht und mit ihren Inhalten politische Mehrheiten generieren will, ist eine offen neonazistische Ausrichtung politisch nicht erfolgversprechend – sei es aufgrund klarer politischer Abgrenzung, sei es aus Angst vor sozialer Stigmatisierung. Dies gilt selbst in Zeiten wie diesen, die als krisenhaft zumindest wahrgenommen werden und während jenen in (wert-)konservativen Milieus – wie auch in früheren Krisensituationen – vermehrt autoritäre Positionen vertreten werden.
„Ein Prozent“ möchte mit der Zusammenarbeit natürlich seine AnhängerInnenschaft und somit auch die Masse an SpenderInnen zahlenmäßig vergrößern. Betrachtet man Götz Kubitscheks Bezug zu seiner sozialen Basis, stellt man schnell fest: Diese existiert außerhalb der eigenen elitären Zirkel kaum. Der intellektuelle Habitus des Netzwerks Neurechter um Kubitschek offenbart ein eklatantes Defizit des Milieus: In Lebenswelt, Sprache und Auftreten ist man fern jeder Nähe zum „deutschen Arbeiter“, der in der Tradition der „Konservativen Revolution“ als Inbegriff des „Deutschen“, als höriges Fundament der Volksgemeinschaft begriffen wird.1 Im Gegensatz zum bundesdeutschen Ableger der „Identitären Bewegung“, der jenseits regionaler Ausnahmen eine Basisarbeit nicht zum Kern der politischen Betätigungsfelder zählt (und der in der bereits dargestellten Praxis auch nicht angestrebt wird) und sich versucht von Neonazistrukturen abzugrenzen, sind für „Ein Prozent“ neonazistische Strukturen durchaus nützlich: Letztere arbeiten vor Ort, bieten als Straßenbewegung eine leicht zugängliche Plattform, können die Kampagne dort bekannter machen, SpenderInnen generieren und Politisierungsprozesse vorantreiben.
Umgekehrt gilt zudem: Die Neonazis sind Teil von „Ein Prozent“, weil sie sich so als Teil eines großen Ganzen fühlen können. Sie sind dann Teil einer Bewegung, mit der die Chance besteht, die eigene politische Marginalisierung zu überwinden – auch wenn sie keineswegs eine führende Kraft in ihr darstellen und wohl auch nicht mehr darstellen werden. Hinzu kommt, neben dem Reiz finanzieller Unterstützung, weitere Vernetzung. Als führende Kräfte dieser Gemeinschaft aber werden neurechte Akteure und die AfD akzeptiert.
Fest steht eines: In der neurechten Kampagne „Ein Prozent“ kommen radikalisiertes, wertkonservatives Bürgertum und die neonazistische extreme Rechte zusammen. Es bleibt abzuwarten, ob die verschiedenen Gruppierungen in der Lage sind, ihre Vernetzung aufrecht zu erhalten, oder ob Differenzen die Zusammenarbeit lahmlegen. In nächster Zeit gilt es außerdem, den (Miss-)Erfolg, das heißt die Wirkmächtigkeit von „Ein Prozent“ und ihrer neurechten Strategien, zu beobachten. Fakt ist jedoch, dass die Kundgebung am 21.12.2016 in Berlin zwar keine Massenveranstaltung war, aber am symbolischen Ort des Kanzleramtes öffentlichkeitswirksam. Die Macher von „Ein Prozent“ erhielten im völkischen Lager großen Zuspruch. Währenddessen waren die Neonazis, die sich zeitgleich am Breitscheidplatz, dem Ort des islamistischen Anschlags, versammelten, von Gegendemonstrant*innen umringt und mussten ihr menschenfeindliches Vorhaben bald abbrechen. Dieser Blickwinkel zeigt uns als Antifaschist*innen neue Aufgaben auf: Die „Ein Prozent“-Kampagne als Gemeinschaftsprojekt von AfD-Rechten, einflussreichen Publizisten, „Identitärer Bewegung“ und Neonazi-Gruppen ebenfalls verstärkt politisch zu bekämpfen.
1 So unter anderem Oswald Spengler und Armin Moeller van den Bruck als wichtige Vertreter der „Konservativen Revolution“, die die „Vergiftung“ der Arbeiterschaft durch Marxismus geißelten und einen „preußischen Sozialismus“ forderten.