Quelle: Exif Recherche
Im Jahr 2012 gründete sich die Neonaziorganisation «Combat 18» („Kampfgruppe Adolf Hitler“) Deutschland. «Combat 18» (C18) Deutschland ist die „autorisierte“ deutsche Division eines internationalen Netzwerks von C18-Gruppen, die sich als eine weltweite Bruderschaft verstehen und organisatorisch und sozial eng verbunden sind. Regionale Schwerpunkte in Deutschland bilden der Raum Dortmund, Ostholstein, Thüringen und Nordhessen. Von ca. 50 Personen lässt sich eine Mitgliedschaft in «Combat 18» Deutschland belegen. Dutzende weitere Neonazis tauchen regelmäßig in Personenzusammenhängen von «Combat 18» Deutschland auf und/oder beziehen sich auf die Organisation, doch bei ihnen fehlen Nachweise für eine Mitgliedschaft.
«Combat 18» Deutschland hat eine feste Organisationsstruktur. Ein Richtlinien-Papier, das im Stil einer Vereinssatzung gehalten wird, legt diverse „Bruderpflichten“, monatliche Treffen und Beitrittszahlungen, Aufnahme- und Ausschlusskriterien und sogar eine Kleiderordnung fest. Die Gründung von «Combat 18» auf internationaler Ebene im Jahr 2012 geschah unter dem Motto „Reunion 28“ – Wiedervereinigung. Mittlerweile gibt es in ca. 25 Staaten Divisionen. Tatsächlich ist «Combat 18» Deutschland die Weiterführung einer Struktur, die seit den 1990er Jahren existiert. Diese Struktur erlebte Flauten und Hoch-Zeiten, Umbrüche und personelle Fluktuation, wie es in vielen politischen Zusammenhängen passiert. Die „Reunion“ im Jahr 2012 ist je nach Sichtweise eine Reorganisierung, Wiederbelebung, Neustrukturierung und Neugründung.
«Combat 18» Deutschland versteht sich als das „originale“ «Combat 18» und hat das Selbstverständnis, der harte Kern und der bewaffnete Arm von «Blood & Honour» (B&H) zu sein – einer Organisation, die in Deutschland im 2000 verboten wurde. Die Gruppen des «Combat 18»-Netzwerkes nennen sich „B&H/C18“ und nutzen die Grußformeln „C18/28“ und „318/28“. 318 steht für C18, die 28 für BH, «Blood & Honour». Die Selbstsicherheit, mit der «Combat 18» Deutschland auftritt, ist nicht nur mit Naivität und den typisch neonazistischen Allmachtsphantasien zu erklären. Einzelne Führungspersonen sind erfahrene Leute, die die Grundregeln konspirativen Handelns durchaus kennen. Und doch agieren sie so, als ob ihnen nichts passieren könne. Warum?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in seinen Statements der vergangenen Monate diese Struktur konsequent verharmlost – mit dem offensichtlichen Interesse, eine Zerschlagung von «Combat 18» Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt zu verhindern. Nicht nur das deutet darauf hin, dass «Combat 18» Deutschland bis in die höchste Ebene mit Spitzeln der Geheimdienste und/oder Polizeibehörden durchsetzt ist. Nach jahrelanger Beobachtung dieser Gruppe drängt sich der Verdacht auf, dass dieses neue alte «Combat 18» Deutschland ein „Honeypot“ ist, den Geheimdienste und/oder Polizei installiert haben, um Militante anzulocken, deren internationale Vernetzung auszuspähen und deren Aktivitäten in gewünschte Bahnen zu lenken. Das Vorgehen der Behörden zeigt in erschreckender Weise, das diese in den letzten Jahren offensichtlich nichts gelernt haben – nicht aus der Geschichte des RechtsRock und seiner radikalisierenden Wirkung, nicht aus dem rechtsterroristischen Netzwerk «Nationalsozialistischen Untergrund» (NSU), nicht aus dem V-Leute-Unwesen, das militanten rechten Gruppen in der Vergangenheit oft mehr nutzte als schadete.
Kristallisationsfigur und Spiritus Rector von «Combat 18» in Deutschland ist Thorsten Heise aus Thüringen. Es ist offensichtlich, dass seine Strukturen seit Jahren von Polizei und Geheimdiensten vor Verfolgung geschützt werden. Die einzig schlüssigen Erklärungen hierfür sind, dass um Heise ein engmaschiges Netz von V-Leuten ausgelegt ist und die Behörden glauben, darüber seine Aktivitäten zu überwachen und steuern zu können – oder dass Heise selbst ein Spitzel in staatlichen Diensten ist.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz schreibt in seinem „BfV-Newsletter“ (Nr. 4/2017) im Herbst 2017 unter anderem, dass „etwaige Radikalisierungstendenzen“ bei «Combat 18» Deutschland „nicht notwendigerweise die Gesamtorganisation betreffen müssen“ und das die Möglichkeit bestünde, „dass sich Einzelpersonen durch die Ideologie von C18 soweit indoktrinieren lassen, dass sie mit schweren rechtsextremistischen Gewalttaten in Erscheinung treten.“ Das BfV liefert hiermit Textbausteine für die unvermeidlichen Erklärungen, die kommen werden, wenn doch jemand von «Combat 18» seine Vision von rechtem Terror in die Tat umsetzt: bedauerlicher Einzelfall, Einzeltäter, keine Organisation und kein rechter Terror erkennbar.
In dem BfV-Newsletter 4/2017 heißt es auch, dass C18-Strukturen in Deutschland „keinen Bestand“ hätten und dass „der szeneinterne Bezug auf C18 […] in der Regel jedoch eher der eigenen Aufwertung“ diene und „nach außen den Eindruck von Gefährlichkeit vermitteln“ solle. Unbestreitbar ist, dass viele Mitglieder von C18 sich über dieses Label in der Szene profilieren und wichtig machen. Doch das (oder: gerade das) macht sie nicht ungefährlicher. «Combat 18» transportiert über seinen Namen und seine gewaltvolle Geschichte das Image des Untergrundes und des bewaffnetes Kampfes. Das setzt die, die sich dieses Label anheften und/oder der C18-Organisation angehören unter Druck, sich selbst, ihrem internationalen Netzwerk und der Szene etwas beweisen zu müssen. Insofern sind Anschläge und andere Gewalttaten von C18-Mitgliedern und Umfeld die logische Konsequenz ihrer Identifizierung mit «Combat 18».
Die Mitglieder von «Combat 18» Deutschland sehen sich in Vorbereitung auf einen Krieg, eines bevorstehenden, unausweichlichen „Rassenkrieges“, der ihrer Meinung nach ganz Europa erfassen und die bestehenden gesellschaftlichen Ordnungen auflösen wird. Sie füllen ihre „Kriegskasse“, beschaffen sich Waffen, trainieren für den Ernstfall, führen Schießübungen durch.
Tatsächlich haben diverse Anhänger von «Combat 18» – und auch Mitglieder von «Combat 18» Deutschland – in der Vergangenheit schwere Gewalttaten begangen. Und die Gefährlichkeit der Gruppe misst sich nicht ausschließlich daran, ob deren Mitglieder nun selbst Gewalttaten oder Terroranschläge begehen. «Combat 18» liefert seit Jahren Konzepte des bewaffneten Kampfes, Bands des «Combat 18» verbreiten über ihre Liedtexte Parolen vom neonazistischen Mord und Totschlag und tragen darüber zur weiteren Radikalisierung der Szene bei. «Combat 18»-Gruppen veranstalten in hoher Taktzahl Konzerte und Treffen, die der Vernetzung dienen. Dadurch finden deutsche Neonazis beispielsweise Anschluss an schwer-militante Neonazigruppen aus dem Ausland und erhalten von diesen Know-How und Handlungsimpulse.
Ausländische Gruppen dieses Netzwerkes traten bereits durch Anschläge in Erscheinung. In Griechenland wurden im März 2018 sieben Neonazis von «Combat 18 Hellas», eine Gruppe dieses Netzwerkes, verhaftet. Sie hatten über 30 Anschläge verübt und dabei etliche Menschen verletzt. Bei Hausdurchsuchungen wurden Waffen und Sprengstoff gefunden. Gruppen aus dem Netzwerk von «Combat 18» Deutschland waren maßgeblich an der Organisation von zwei der größten Neonazikonzerte der Geschichte beteiligt: Im Oktober 2016 in der Schweiz (5.000 Teilnehmende) und im Juli 2017 in Themar in Thüringen (6.000 Teilnehmende). Sie erzielten darüber Gewinne von mehreren hunderttausend Euro, die unter anderem in den Ausbau der Szene-Infrastruktur fließen. Die Geschichte von «Combat 18» zeigt auch, dass sie ihre Gelder immer wieder für die Beschaffung von Waffen und Kampfausbildung einsetzten.
Antifaschistische Zeitschriften und Tageszeitungen haben bereits mehrfach über «Combat 18» Deutschland berichtet. 2016 das Antifaschistische Infoblatt (AIB) und die Zeitschrift Lotta. Der nachfolgende Beitrag beschreibt ausführlich und dennoch unvollständig die Entwicklung, Struktur und Aktivitäten von «Combat 18» Deutschland und international. Die Bedrohung durch ein internationales, rechtsterroristisches Netzwerk, das sich weitgehend ungehindert organisieren kann, sowie die Verstrickung und Verharmlosung seitens der Behörden machen es notwendig, das Wissen über «Combat 18» in dieser Ausführlichkeit zu veröffentlichen. Dies ist auch eine Konsequenz, die antifaschistische Recherche aus den Erkenntnissen um den NSU-Komplex ziehen muss.