Reaktionäre Zussammenarbeit – Die Junge Union Göttingen zu Gast in der Burschenschaft Hannovera

Am Freitag, den 14. Februar 2025 hatte die Junge Union Göttingen zum Tanz eingeladen.

Das Angebot klang unverfänglich: Zu einem Grundkurs im Knotentanz konnte man sich per Mail unter wagner@ju-goettingen.de anmelden. Dieses Angebot umfasste: „eine Tanzstunde für den Grundschritt und 1-2 Beginnerfiguren“. Im Anschluss könne man „den Abend mit Tanz, Getränken und sicherlich viele Gesprächen zu den Entwicklungen im aktuellen Wahlkampf ausklingen“ lassen. Die Getränke für diese Abendveranstaltung seien inklusive.

Als Veranstaltungsort wird die Herzberger Landstraße 9 genannt. Keine Erwähnung findet jedoch, dass es sich bei der Herzberger Landstraße 9 um das Haus der extrem rechten Burschenschaft Hannovera handelt und darüber hinaus der Knotentanz vor allem im Verbindungsmilieu beliebt ist.

Für die Veranstaltung verantwortlich zeichnete sich Laura Wagner vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten Göttingen (RCDS, siehe Foto).

Sie organisierte über ihre E-Mail die Anmeldung und nutzte ebenfalls ihren privaten Instagram-Account um Nachfragen zu der Veranstaltung zu beantworten (siehe Foto). Es handelt sich bei ihr nicht nur um ein einfaches Mitglied der Jug

endorganisationen der CDU, sondern sie war in der Vergangenheit bereits als Veranstaltungsreferentin für den RCDS tätig. Insofern könnte man bei ihr ein gewisses Problembewusstsein für extrem Rechte Verbindungen voraussetzen. Auf eine Nachfrage, warum die Räumlichkeiten der Burschenschaft genutzt werden antwortete Wagner lapidar mit den Worten: „Das Haus der Union hat keinen Tanzsaal“(Siehe Bild).

Dass die Hannovera nicht unbedingt ein unbelasteter Tanzsaal ist, darauf verweist der halbherzige Versuch die Gastgeberschaft zu verschleiern. Sowohl das Verschweigen des Namens als auch, dass die Burschenschaft selbst auf ihren Social-Media-Profilen und ihrer Website den Tanzkurs mit keinem Wort erwähnt. Die Burschenschaftler selbst nehmen jedoch farbentragend an der Veranstaltung teil und bedienen auch die Theke.

Anhand der Veranstaltung wird dementsprechend ein Zusammenrücken von JU/RCDS und dem Göttinger Verbindungsmilieu deutlich. Zwar gab und gibt es seit Jahrzehnten Kontakte und Überschneidungen zwischen beiden Gruppen. So waren immer wieder Mitglieder des RCDS auch kooperiert, die offene Nutzung extrem rechter Infrastruktur durch christlich-demokratische Gruppen stellt jedoch eine neue Stufe dar.

Denn bei der pflichtschlagenden Burschenschaft Hannovera handelt es sich um jene Verbindung, die noch bis 2012 Mitglied des extrem rechten Dachverbands der Deutschen Burschenschaft war. Die Loslösung vom Dachverband ist jedoch nicht auf größere inhaltliche Differenzen zurückzuführen, denn auch im Nachhinein gingen Neonazis in der Burschenschaft ein und aus.

So war beispielsweise der Neonazi Lars Steinke bis 2016 Mitglied der Burschenschaft.

Lars Steinke

Dieser schrieb in dieser Zeit als Autor bei der neurechten Zeitung Blaue Narzisse. Er war Gründungsmitglied der Jungen Alternativen Hochschulgruppe Göttingen und ebenfalls in der später wegen neonazistischer Ausrichtung aufgelösten, Jungen Alternativen Niedersachsen, führend aktiv. In diesem Kontext auch die Nazischläger Paul Sass und Albrecht Diederichs waren Mitglied der JA in Göttingen und Niedersachsen und ebenfalls auf dem Haus der Hannovera zu Gast. Steinke war ebenfalls in seiner Zeit als Burschenschafter Anmelder und Führungsfigur des neonazistischen Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen.

Erst nach massivem öffentlichem Druck schloss die Altherrenschaft der Burschenschaft Hannovera Steinke aus der Verbindung aus, indem sie den Aktivitas der Verbindung auslösten. Besagter Aktivitas hat Steinkes Haltung und Aktivismus bis zuletzt gedeckt.

Steinke ist nicht der einzige Neonazi, der Mitglied der Burschenschaft war. 2012 wird auf der Plattform linksunten.indymedia Michael Jelinek geoutet.

Der Burschenschafter war neben seinem Bachelorstudium der Arboristik Administrator des Neonazi Forums Alpen-Donau-Info und im Neonazi-Forum thiazi aktiv. Auf beiden Websites wurde neonazistische Propaganda, rassistische und antisemitische Hetze verbreitet.

Vor dem Austritt aus der DB finden sich noch weitere Beispiele, wieso sich die Burschenschaft Hannovera am extrem rechten Rand des politischen Spektrums befindet. 2003 veranstaltete die Hannovera gemeinsam mit der Burschenschaft Holzminda einen Fackelmarsch durch die Innenstadt. Anlass war die Sonnenwendfeier. Diese vermeintlich heidnische Tradition erfreute sich vor allem im Nationalsozialismus größter Beliebtheit. 2004 sprach unter massivem Polizeischutz Reinhard Günzel über den „Ethos des Offiziers“ (Günzel war vorher aus der Bundeswehr entlassen worden, nachdem er Martin Hohmann für dessen antisemitische „Tätervolk“- Rede gelobt hatte).

Des Weiteren beteiligte sich die Burschenschaft in der Vergangenheit an den Burschenschaftlichen Blättern, in denen beispielsweise ein Nachruf auf Herbert Böhme, früher „Hauptschriftleiter“ in der Reichsleitung der NSDAP, veröffentlicht wurde.

Neben diesen extrem rechten Verstrickungen muss das Verbindungswesen selbst kritisiert werden. Es spricht für sich, dass der RCDS eine Veranstaltung auf dem Haus einer Organisation durchführt, in der Frauen keine gleichberechtigten Mitglieder sein dürfen und die zur antiquierten Männlichkeit erzieht. Doch die Inhaltlichen Gemeinsamkeiten sind auch hier unübersehbar. Die Ablehnung von Feminismus und queeren Lebensentwürfen ist bei beiden politisches Programm.

Somit zeigt die vermeintlich harmlose Tanzveranstaltung des RCDS am Ende vor allem eins: Die Grenzen zwischen konservativen Parteien und der extremen Rechten befindet sich auch in Göttingen zusehends in Auflösung. Es ist Aufgabe Aller dieser Normalisierung der extremen Rechten entgegenzuwirken.


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