Solidarität ist gefragt!

Quelle: randnotiz göttingen

Der Prozess gegen die Nazischläger Robert K. und Felix Leonhard H.

Aktuell blicken die Göttinger Antifaschist*innen vor allem nach Mühlhausen, wo der sogenannte Fretterodeprozess angelaufen ist. Sie unterstützen die beiden angegriffenen Journalisten in dem Verfahren. Doch auch in Göttingen ist Solidarität mit Betroffenen rechter Gewalt gefragt. Am 10., 17. und 24. September 2021 fanden vor dem Amtsgericht (AG) Göttingen die ersten Prozesstage des Strafprozesses gegen die beiden Neonazis Robert K. und Felix Leonhard H. wegen gefährlicher Körperverletzung statt. Die beiden sollen zusammen mit anderen im Frühjahr 2019 Gäste der Göttinger Sonderbar (S-Bar) angegriffen haben. Obwohl es sich bei den Angreifern um bekennende Neonazis handelt, wird der Prozess von Göttinger Antifaschist*innen wenig beachtet.

Was war passiert?

Am 22. Februar 2019 griffen die beiden Neonazis Felix H. und Robert K. aus einer Gruppe heraus mehrere Gäste in der Kneipe „Sonderbar“ an. Die Betroffenen erlitten schwere Verletzungen im Gesicht, u.a. einen Nasenbruch, sowie zahlreiche Hämatome durch Schläge und Tritte. In der gleichen Nacht wurden in der Roten Straße Aufkleber der Jungen Nationalisten (JN), mit dem Aufdruck „Invasoren gehören ins Abschiebelager und nicht in unser Land!“ sowie das Konterfei des AfD-Politikers Björn Höcke verklebt. Bei dem Übergriff handelte es sich um einen Höhepunkt zahlreicher neonazistischer Aktivitäten in den Jahren 2018 und 2019 in Göttingen, die mutmaßlich alle von dem gleichen TäterInnenkreis ausgegangen sind.

Der bisherige Prozess

Bei den Angeklagten handelt es sich um Felix Leonhard H. und Robert K. Sie wurden in der Vergangenheit einer von Antifaschist*innen als „Göttinger Naziclique“ bezeichneten Gruppe zugeordnet. Beide sind eng mit den verschiedenen Spektren der Neonaziszene, von der AfD/JA über die Identitäre Bewegung (IB) bis hin zur NPD/JN und der Arischen Bruderschaft verbunden. Sie verfügen über Kontakte zur Familie Heise.

So hielt Felix Leonhard H. zusammen mit Paul S. das Transparent der „Kameradschaft Northeim“ auf dem „Trauermarsch“ in Dresden am 15. Februar 2019. Beide nahmen als Ordner an dem von Heise organisierten „Schild und Schwert“ Festival (dem sogenannten „SS-Festival“) in Ostritz teil. Auch Robert K. nahm an diversen Neonaziaufmärschen teil, beispielsweise am 16. September 2018 in Köthen. Daneben wurde gegen Robert K. bereits in einem Gerichtsverfahren im Dezember 2019 in München wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verhandelt. Das Verfahren bezog sich auf einen Vorfall im August 2018, als eine in Braunhemden uniformierte Gruppe durch München zog, Parolen grölte und Hitlergrüße zeigte. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.

Im bisherigen Prozessverlauf vor dem AG Göttingen versuchen sich die Neonazis als harmlose KneipenbesucherInnen darzustellen, die infolge eines Hausverbots in eine „Auseinandersetzung“ mit den Gästen verwickelt worden seien, woraufhin H. ihnen „den Weg freigemacht“ habe. Dementgegen betonten Zeug*innen, dass die Neonazis bereits im Vorfeld andere, von ihnen als alternativ wahrgenommene, Kneipen aufgesucht hatten und sowohl die Besucher*innen als auch das Personal beleidigt und bedrängt hatten. So trug H. mutmaßlich bereits beim Betreten der S-Bar Quarzsandhandschuhe.

Der größere Kontext politisch motivierter rechter Gewalttaten wurde im Gericht bisher nicht thematisiert. Der Angriff auf die Betroffenen in der S-Bar stellte nur einen Höhepunkt neonazistischer Gewalt in Göttingen dar. Bereits am 13. Februar 2019 betrat eine Gruppe Neonazis mit Quarzsandhandschuhen die S-Bar und beleidigte dort zwei anwesende Gäste. Im Herbst 2018 wurden außerdem zwei Männer aus homophoben Motiven zusammengeschlagen. Bei den drei TäterInnen handelte sich mutmaßlich um eine ähnliche Personengruppe, wie die, die im jetzigen Prozess angeklagt ist oder als ZeugInnen aussagen mussten. Auch hier gingen die Täter besonders brutal vor. So schlug einer der Täter einem Betroffenen mit einem schweren Eisenpoller ins Gesicht und fügte diesem so einen Kieferbruch zu. Im gleichen Zeitraum kam es außerdem zu neonazistischen Schmiereien auf dem Campus und zu Angriffen auf mehrere Wohnprojekte in Göttingen. Es muss also deutlich gemacht werden, dass sich hier keine „zufällige“ oder „beliebige“ Auseinandersetzung entwickelte, sondern sich die Kneipe als konkretes Angriffsziel ausgesucht wurde. Diese politische Dimension wurde in dem Verfahren bisher nicht von dem Gericht beachtet, sondern von der Vorsitzenden explizit als irrelevant abgetan.

Die beiden Angeklagten schweigen sich zu der Tat aus und auch die anderen, als ZeugInnen geladenen, Neonazis verweigern größtenteils die Aussagen, um sich nicht selbst zu belasten. Die Bekannten der Angeklagten Kim D. und Sven G. mussten zwar aussagen, berufen sich aber auf erstaunliche Erinnerungslücken. So gaben die beiden an, sich an vieles nicht mehr genau erinnern zu können, weder daran, wer an jenem Abend alles dabei war, noch, ob im Nachhinein über die Tat gesprochen wurde. Auch die Göttinger Justiz hat durch die Verschleppung des Verfahrens, das erst mehr als 2,5 Jahre nach der Tat begann, dazu beigetragen, dass rechte Netzwerke nicht weiter aufgeklärt werden können.

Solidarität mit den Betroffenen rechter Gewalt!

Bei den vorangegangenen Prozesstagen erschienen nur wenige Antifaschist*innen, um sich mit den Betroffenen rechter Gewalt zu solidarisieren. Am 8. Oktober wollen die Neonazis einen vermeintlichen Entlastungszeugen präsentieren, ggf. wird dann auch das Urteil verkündet. Als möglicher weiterer Prozesstag steht der 22.10. im Raum, sofern es nicht schon am 8.10. zu einer Urteilsverkündung kommt. Antifaschist*innen sollten deutlich machen, dass sie rechte GewalttäterInnen nicht vergessen und dass sie an der Seite derer stehen, die von den Nazis angegriffen wurden! Kommt deshalb zum Prozess und zur Urteilsverkündung!

Folgetermine:

08.10. um 9:00 – Fortsetzung der ZeugInnenvernehmung und ggf. Urteilsverkündung

22.10. um 9:00 – Urteilsverkündung (falls nicht am 08.10.)


Beitrag veröffentlicht

in

Schlagwörter: