Quelle: BL Göttingen
Die Junge Alternative (JA), der Jugendverband der AfD, ist bereits bundesweit für seine Verstrickungen in der Extremen Rechten bekannt. Ihr niedersächsischer Ableger ist längst als völkischer Zusammenschluss zu bewerten. Dass die Zusammenarbeit der JA nicht bei Akteuren der Neuen Rechten endet, sondern bisweilen auch bis in die neonazistische Szene reicht, wollen wir in diesem Dossier aufzeigen.
Am 1. Juli diesen Jahres wurde der Göttinger Lars Steinke zum Vorsitzenden der Jungen Alternative (JA) Niedersachsen gewählt. Spätestens seit diesem Votum und der darauffolgenden massiven Austrittswelle von Steinke-GegnerInnen ist dieser Landesverband in seiner Gänze als extrem rechts zu bezeichnen. Der bereits für seine neurechten und faschistischen Aktivitäten bekannte Steinke marschierte nur anderthalb Wochen nach seiner Wahl zusammen mit Identitären, neurechten Pseudo-Intellektuellen und Neonazis in Halle auf. Doch er steht nicht alleine: Vor allem im JA-Bezirksverband Braunschweig hat Steinke geistige MitstreiterInnen gefunden.
Organisatorischer Vorläufer: JA-Hochschulgruppe Göttingen
Bereits vor der Gründung des Bezirksverbands am 11. Oktober 2015 existierten in Südniedersachsen JA-Strukturen. Knapp ein Jahr zuvor wurde im November 2014 die JA-Hochschulgruppe Göttingen gegründet. Zum ersten Vorstand des chronisch erfolglosen Zusammenschlusses gehörten neben Steinke Luisa Meyer, unter anderem Sympathisantin von Montagsmahnwachen und Ken FM, Henrik Mollowitz und der aus Northeim stammende Jura-Student Jonas Reinhard als Schatzmeister, zuvor langjährig im RCDS Göttingen aktiv. Der zuvor in Kiel und danach in Göttingen wohnhafte Mollowitz wird weiterhin als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Extremismus und Militanz (FGEM) aufgeführt. Hier veröffentlichte er gemeinsam mit dem FGEM-Sprecher, ZDF-„Experten“ und ehemaligen Hamburger Bereitschaftspolizisten Karsten Dustin Hoffmann (nun AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Rotenburg/Wümme, ) das Propaganda-Werk „Linksmotivierte Militanz 2015“, in dem mit zweifelhaften Methoden angeblich ‚linksextremistische‛ Anschläge dieses Jahres dokumentiert werden. Weitere aktive Mitglieder waren u. a. die Göttinger Verbinder Eric Schellenberger (Burschenschaft Gothia zu Königsberg, inzwischen Pressereferent der AfD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern), der jetzige Neonazi Jan Philipp Jaenecke (ehemals Landsmannschaft Verdensia), Frederik R. und Joschua Zachmann (beide wie Steinke in der Burschenschaft Hannovera).
Während Meyer, Mollowitz und Reinhard schon bald nicht mehr öffentlich für die JA auftraten, gehörte Zachmann, der in Göttingen aufwuchs und ein Chemie-Studium begann, zu den Gründern des Braunschweiger Bezirksverbandes. Er zählte neben dem Vorsitzenden Steinke und dem Northeimer Abiturienten Maximilian Schürer zu den Vertretern des ersten Vorstands.
Die Aktivitäten und Aktiven der regionalen Jungen Alternative
Seit seiner Gründung besteht die politische Praxis der regionalen JA vor allem in regelmäßig stattfindenden Stammtischen, Vorträgen, politischen Aktionen und, wenn auch selten, Kundgebungen. Der Göttinger Stammtisch hat bislang keinen festen Ort gefunden. Einstweilen trifft und traf man sich unter anderem im örtlichen Irish Pub, in der Bierwirtschaft, im Paulaner oder im Thanners. Regelmäßige Gäste sind neben Steinke die Studenten Niklas Porello (Master Arbeit in Betrieb und Gesellschaft) und Philippe Navarre (Medizin). Letzterer war am 17. Juni auf der Demonstration der Identitären Bewegung (IB) in Berlin und trug dort ein mit Herzen versehenes Schild „JA + IB“, womit er sich eindeutig und ohne Konsequenzen für jene Zusammenarbeit aussprach, für die Steinke ein Jahr zuvor noch ein Parteiausschlussverfahren drohte. Weitere Göttinger JA-Mitglieder sind vor allem Studenten wie etwa der Burschenschafter Christopher M. (Burschenschaft Brunsviga), Robert K.-Z. oder Greg T.
Auch in den von der JA veranstalteten Vorträgen, die mitunter auf Burschenschaftshäusern stattfinden, ist die Verstrickung in die Extreme Rechte unverkennbar. Ein Referent war beispielsweise Ralph Weber aus Greifswald. Den extrem rechten Professor der Rechtswissenschaften lud die JA im April 2017 ein. Der ebenfalls als AfD-Landtagsabgeordnete tätige Weber hatte im vergangenen Jahr den Nazi-Anwalt und Rechtsrocksänger Maik Bunzel bei sich promovieren lassen und war im Frühjahr diesen Jahres mit Forderungen einer verstärkten deutschen Leitkultur für Biodeutsche medial präsent. Neben dem Professor mit Vorliebe für Neonazi-Marken (er hielt Vorlesungen im „Thor Steinar“-Outfit) referierte zudem der allseits bekannte Karlheinz Weißmann, einer der Vordenker der Neuen Rechten.
Hierbei verwundert es nicht, dass gerade am Northeimer Corvinianum, wo Weißmann unter anderem Geschichte unterrichtet, gleich mehrere (frühere) SchülerInnen Mitglieder der JA sind. Seit der Existenz der regionalen JA-Strukturen zeigt etwa der bereits erwähnte Schürer große Aktivitäten, der seit Juli Steinkes Stellvertreter im niedersächsischen JA-Landesvorstand ist. Er absolvierte in diesem Jahr sein Abitur an dem althumanistischen Gymnasium und durfte dort gar die Abschlussrede mithalten. SchulkameradInnen und JA-Aktive des Identitären-Sympathisanten Schürer sind weiterhin Marius Metje (von Steinke auch liebevoll „Metjewitsch der Schlächter“ genannt), seit Juli 2015 JA-Mitglied und seit Oktober 2016 im JA-Bezirksvorstand; der Mitabiturient Steve L.; Jan S., gegen den ein (mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgloses) internes AfD-Ordnungsverfahren läuft, weil er in einem Chat der JA die Nachricht „Heil Höcke“ verfasst haben soll; sowie Caithlin E., die erst seit Oktober 2016 Mitglied der JA ist. Am Corvinianum, das trotz diverser Kritik weiter an Weißmann festhält, scheint ein Klima zu herrschen, welches es extrem rechten NachwuchspolitikerInnen zumindest nicht schwierig macht, sich menschenfeindlich zu entfalten.
Ferner zeigen weitere JA-Mitglieder die Nähe der Jugendorganisation zur Mutterpartei AfD. Für den überdies in Northeim wohnhaften Marlon P. dürfte sein Vorgesetzter, der Bestattungsunternehmer und örtliche Bundestags-Direktkandidat Jens Kästner, eine nicht unwichtige Rolle in dessen Politisierung gespielt haben. Der AfD-Mann Sebastian J. stellte für seinen Einbecker Nachbarn Joschua K. den Kontakt zur JA her. Hier lebt dieser seine unübersehbaren Aggressionen unter anderem darin aus, Journalist*innen körperlich und verbal zu attackieren, wie etwa bei einer Unterstützungsveranstaltung für Björn Höcke am 07. März 2017 in Northeim. Ein weiteres JA-Mitglied ist gar der Bundestagskandidat der AfD im Wahlkreis Göttingen: Pierre Hillebrecht aus Osterode, Landsmannschafter, aktiv in Vertriebenverbänden, Obergefreiter der Reserve bei der Bundeswehr und Leiter des AfD-Fraktionsbüros im Göttinger Kreistag.
Geradezu beispielhaft zu erkennen ist die enge Verbindung von JA und AfD an Sebastian Guth, wohnhaft in Herzberg. Der Sohn von Dana Guth, der Spitzenkandidatin der niedersächsischen AfD bei den anstehenden Landtagswahlen, ist wie Hillebrecht ebenfalls Direktkandidat der AfD für die anstehende Bundestagswahl (Wahlkreis Duderstadt). Guth ist neben seiner Parteitätigkeit auch in der Rockerszene unterwegs. Er bandelt hier nicht nur mit dem MC „Brockenbiker Südharz“ an, sondern unterhält auch Kontakte zu vorbestraften Neonazis wie Sascha Berlin aus Katlenburg (NPD Göttingen) oder dem Moringer Thomas Stefan U., die sich beide ebenfalls in der Rockerszene bewegen.
Die Zusammenarbeit mit organisierten Neonazis
Doch auch in der unmittelbaren politischen Arbeit existieren keinerlei Berührungsängste mit organisierten Neonazis. Auf einer JA-Kundgebung „gegen linke Gewalt“ in Goslar am 16. Dezember 2016 übten Steinke, Navarre, Schürer und Co. die extrem rechte Einheitsfront: Zwei der kaum mehr als zehn, durchweg männlichen Teilnehmer waren organisierte Neonazis. Zum einen Timo B., Mitglied der Jungen Nationaldemokraten (JN) Braunschweig, zum anderen Felix W., aktiv beim Kollektiv Nordharz. Diese Vereinigung versucht im kommenden Jahr, mit dem Tag der deutschen Zukunft einen der größten Neonazi-Aufmärsche Deutschlands in Goslar zu organisieren – womit die Stellung dieser Gruppierung in der bundesdeutschen Neonaziszene zweifelsohne erkennbar ist. Auch Timo B. zeigt keine Scheu, sich öffentlich als Neonazi zu präsentieren. Beim größten Neonazi-Aufmarsch Berlins seit mehreren Jahren, dem von Gegendemonstrant*innen verhinderten Rudolf-Heß-Gedenkmarsch am 19. August diesen Jahres, trug er mit weiteren Neonazis aus Braunschweig und dem Harz gar das Fronttransparent.
Dass die Zusammenkunft dieser Schattierungen völkischen Denkens nicht als einmalig zu betrachten ist, zeigt die zu Beginn erwähnte Wahl des Göttingers Lars Steinke zum niedersächsischen JA-Vorsitzenden. Auf einem Gruppenfoto des fünften Landeskongresses der JA, dem Ort der Abstimmung, stehen in der ersten Reihe nicht nur nur Navarre, Steinke und Schürer, sondern auch der JN-Aktivist B.. Hier steht er Arm in Arm mit dem Braunschweiger Patrick Jäcker, der längst für seine Verbindungen ins neonazistische Lager bekannt ist. Damit ist klar erkennbar, dass etwa die Beteiligung von Neonazis um die Braunschweiger JN-Schläger Lasse Richei und Pierre Bauer sowie weiteren extrem rechten AkteurInnen auf einer AfD-Demo in Peine am 1. April diesen Jahres kein Einzelfall war.
Letztendlich zeigt dieses Dossier aktiver JA-Mitglieder in der Region und ihrer politischen Praxis, dass sich die JA nicht einmal mehr in der Öffentlichkeit um eine Abgrenzung zu neonazistischen Akteuren bemüht. Sie hat in ihrer knapp dreijährigen Existenz in der Region einen festen Platz im völkischen Lager eingenommen. Das bürgerliche Antlitz der maßgeblich von (fast nur männlichen) GymnasiastInnen und Studierenden geprägten JA darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in ihren Inhalten kaum unterscheidbar ist von älteren Akteuren der Extremen Rechten. Auch die Nähe zur Mutterpartei zeigt, dass in der AfD diese Positionen entweder geteilt oder zumindest geduldet werden. Nun, da diese im Bund und in Niedersachsen vor dem Einzug in die Parlamente und damit vor erheblich mehr Einfluss und Macht steht, müssen AfD und JA langfristig im Zentrum antifaschistischer Aktivitäten stehen.