Razzia bei militanter Nazigruppe in Niedersachsen und Thüringen

Quelle:Zeit Online – Störungsmelder

Am 28.02.17 durchsuchten Sondereinheiten der Göttinger Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft sechs Räumlichkeiten von Neonazis aus dem Umfeld des „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ (FKTN). Durchsucht wurden Objekte in Reckershausen, Adelebsen, Reinhausen und im Thüringschen Fretterode. Mehr als Hundert Beamte waren im Einsatz.

Von Marian Ramaswamy

Schon Dienstagmorgen, kurz vor 6.00 Uhr klopfte es an der Haustür der Beschuldigten. Beamte der Beweissicherung und Festnahmeeinheit (BFE) durchsuchten mit dem Vorwurf der „Gründung einer bewaffneten Gruppe“ die Räumlichkeiten mehrerer Mitglieder des FKTN. Auf der Liste der betreffenden Objekte findet sich auch die Adesse des“Anführer“ Jens Wilke, der zu den Kommunalwahlen 2016 für die NPD als Spitzenkandidat antrat. Unterdessen ist er im Vorstand des überwiegend in Thüringen und Sachsen aktiven „Thügida e.V.“.

In Reinhausen wurde die Wohnung des mehrfach vorbestraften NPD-Mitglied Pascal Zintarra durchsuchte. Sowohl Zintarra und Wilke, als auch zwei Weitere von der Durchsuchung Betroffene, waren am 12.11.16 anwesend, als Mitglieder des FKTN eine Gruppe AntifaschistInnen im Anschluss an eine Demonstration in Duderstadt vor der Göttinger Stadthalle angriffen. Bei der Attacke schlug einer der Angreifer auf eine am Boden liegende Person mit einer schweren Eisenkette ein, wodurch diese schwer verletzt wurde. Die bei dem Angriff anwesende Polizei versäumte es, die verwendete Tatwaffe zu beschlagnahmen, sodass in den Ermittlungen entscheidende Beweise für die Tat fehlen.

Auch der Initiator der extrem rechten „Bürgerinitiative Adelebsen“ und Mitglied der Partei „Die Rechte“, Mario Messerschmidt, war Ziel der Hausdurchsuchungen. Der einschlägig vorbestrafte Messerschmidt verbüßte von November 2008 bis Anfang 2014 eine Haftstrafe wegen des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Bedrohung und Beleidigung. Im November 2016 wurde auf der Facebook-Seite der „Bürgerinitiative“ eine Liste mit 140 Namen und Adressen von vermeintlichen „linken Brandstiftern“, unter ihnen auch ein Mitglied des Göttinger SPD Stadtverbandes. Die Auflistung wurde mit dem Aufruf kommentier „doch mal ganz höflich bei dem Gesindel“ zu klingeln und „nach ’ner Tasse Mehl“ zu fragen.

Im Thüring’schen Eichsfeld in Fretterode durchsuchten die Beamten in Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt Thüringen die Wohnung von Malte A., ein Nachwuchskader der „Kameradschaft Eichsfeld“ und langjähriger Aktivist der Kameradschaft „AG Rhumetal“ aus Northeim, die vor allem in den Jahren 2011 und 2012 durch gewalttätige Übergriffe auf Mitgranten und politische Gegner auffiel. Das durchsuchte Haus in Fretterode befindet sich im Besitz von Thorsten Heise, der erst kürzlich zum neuen Landesvorsitzenden der NPD in Thüringen gewählt wurde. Beide beteiligten sich mehrfach an Demonstrationen und Kundgebungen des selbsternannten Freundeskreises.

Als Ergebnis der Durchsuchungen aller Objekte präsentierte die Polizei: CS- und Reizgaskartuschen, einen Schlagstock mit Reizgaskartusche, Teleskopschlagstöcke, einen Schlagring, eine Einhand-Armbrust, eine Machete, zwei Säbel, diverse Messer und Dolche, ein Luftgewehr und Quarzsandhandschuhe. Bis Ende der Woche sollen die beschlagnahmten Handys, Computer sowie Datenträger ausgewertet sein. Inwieweit die Staatsanwaltschaft Hinweise auf konkrete Planungen oder Angriffsziele hat, lässt sie offen.

Boris Pistorius (SPD), Innenminister von Niedersachsen sagte: „Diese Gruppe von Nazis tritt immer wieder aggressiv und martialisch auf.“ Führende Mitglieder würden sich „wie selbstverständlich als Nationalsozialisten“ bezeichnen, es gebe eine klar rassistische und völkische Ausrichtung. „Der heutige Einsatz hat gezeigt, dass einige Mitglieder auch vor der Selbstbewaffnung nicht zurückschrecken, um die Ziele der Gruppierung durchzusetzen“. Für den 1. April hat die Gruppe trotz der Razzien bereits den nächsten Aufmarsch in Göttingen angemeldet.


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